Kohlröschen im Chiemgau

16 Juni 2017 | Feichtenalm

Mein Bruder und ich haben in den Pfingstferien 2017 mehrere Orchideenexkursionen in Oberbayern unternommen, dabei haben wir die unterschiedlichsten Lebensräume besucht, von Mooren, über Flussauen bis zu Almwiesen und eben auch alpinen Almen. Um eine besondere Orchideen-Gattung die man oberhalb von 1300m findet geht es in diesem Bericht

Die Gattung Nigritella (Kohlröschen) ist in Deutschland mit fünf Arten vertreten, in den Europäischen Gebirgen und in Skandinavien kommen noch einige Arten hinzu. Die Blüte dieser Arten beginnt Mitte Juni und die späteren blühen dann bis Ende Juli. Je nach Höhe und Wetter variiert das aber stark und man kann das kaum eingrenzen. Gefühlt blühen die auf jedem Berg anders.

Das wäre dann wohl ich

Unsere Exkursion bei der es uns im speziellen um N. widderi (Widders Kohlröschen) ging traten wir am 16.6. an. Eigentlich noch zu früh und ehrlich gesagt bei dem Aufwand den wir betreiben mussten total bescheuert. Denn bis zum 16.6. waren für dieses Jahr noch keine Funde im Netz vermeldet worden, wir mussten vom Schliersee nach Österreich fahren, hatten eine ordentliche Bergtour vor uns, es regnete wie aus Kübeln und die Wahrscheinlichkeit eben keine Pflanzen zu finden war hoch. Aber irgendwie hatten wir „halt so ein Gefühl“, dass schon was gehen konnte.

N. widderi kommt in Deutschland nur an wenigen Standorten vor. Die Verbreitungskarte von 2011 weisst nur 9 „Punkte“ auf. Der Standort den wir besuchten ist wohl der individuenreichste in Deutschland Wie fragil der Bestand basierend auf den wenigen Fundorten in Deutschland ist, erschliesst sich sicher jedem. Trittschäden oder Änderung in der Bewirtschaftung können einzelne Standorte empfindlich schädigen oder im schlimmsten Fall sogar für immer zerstören.

Also los gehts: Früh aufstehen, Hörnchen und Bretze auf die Hand und ab nach Österreich, denn wir werden den Aufstieg in Österreich beginnen und die Grenze auf einem Bergkamm wieder zurück nach D überqueren. Wir haben uns einen, wie in Österreich oft üblich, gebührenpflichtigen Parkplatz herausgesucht. Immerhin kommen wir so mit dem Auto schonmal auf 1150m und sparen uns Einiges an Höhenmetern. Wie schon erwähnt ist das Wetter eine ziemliche Katastrophe, auf der Fahrt schüttet es wie aus Kübeln und es stürmt ziemlich, wir lassen uns nicht entmutigen und erreichen, pünktlich als der Regen etwas nachlässt, den oben schon erwähnten Parkplatz an der Goglalm.

Raus aus dem Auto, rein in die Wanderschuhe, Rucksack auf, Wanderstöcke im Anschlag und los gehts. Keine 10 Meter gelaufen stehen die Wiesen zu unsrer Linken und Rechten schon voll mit Orchideen. D. incarnata (Fleischfarbenes Knabenkraut), D. majalis (Breitblättriges Knabenkraut), D. fuchsii (Fuchs’ Knabenkraut), G. conopsea (Mückenhändelwurz), T. globosa (Kugelorchis), alles Arten die man auf jeder Bergwiese finden kann, aber dennoch wunderschön und ein schöner Einstieg in so eine Tour.
Nach ca. 1km bergauf lassen wir das Spitzingsteinhaus links liegen, durchqueren eine kleine Bewaldung und landen nach einem weiteren km bei einer Almbauernhütte an der wir einen kleinen Plausch mit dem Bauern halten. Der macht uns recht unverblümt klar, was er von den „Stadtleuten“ hält und eben den „Orchideentouristen“ die vor lauter aufs GPS gucken „net mea gscheit laffa kenna“. Wir nehmen ihm den Grantler aber nicht gänzlich ab und irgendwie findet er uns dann doch ganz nett und versorgt uns mit ein paar nützlichen Hinweisen für den weiteren Weg.

Jetzt wirds steil. Auf ziemlich direkten Weg geht es auf den ersten Bergrücken hoch. Links der Wald, rechts eine schöne Almwiese, die wir uns für den Rückweg vormerken. Unglaubliche Mengen an Thymian-Ameisen-Bläulingen lassen mich zudem staunen. Oben auf dem Bergrücken angekommen bin ich schon ordentlich am Schnaufen aber jetzt einen Rückzieher machen ist nicht mehr drin. Kaum oben angekommen geht es schon wieder runter. Der Weg ist, nennen wir es mal, nicht ganz anspruchslos. Nasses Gestein, teilweise Stufen bis zu einem Meter und richtig steil. Auf einem Sattel angekommen bleibt ein wenig Zeit zum Durchatmen, die Aussicht geniessen und nebenbei ein paar Orchideen bewundern. Hier gibt es N. ustulata (Brand-Knabenkraut), D. coeloglossum (Grüne Hohlzunge), die üblichen D. fuchsii (Fuchs’ Knabenkraut) und G. conopsea (Mückenhändelwurz).

Da wir ziemlich durchgeschwitzt sind und der Wind ziemlich scharf bläst geht es aber bald schon wieder weiter, da wir recht schnell auskühlen. Weiter bedeutet wieder bergauf … steil … mein bergerprobter Bruder lacht mich bei jeder Verschnaufpause aus die ich mir gönne und je weiter es hoch geht desto kürzer werden die Abstände zwischen den Pausen. Irgendwann ist dann der höchste Punkt erreicht und von nun an geht es ohne größere Höhenunterschiede weiter zum Ziel. Hier oben kann jedes Stück Wiese mit artenreichen Orchideenpopulationen glänzen, das hilft auch die Strapazen zu verdrängen. Neben den vorher erwähnten Arten finden wir, zu unserer Freude in einem kleinen locker bewaldeten Stück ein Grüppchen C. trifida (Korallenwurz).

Das Ziel kommt langsam näher und als wir auf ca. 1500m aus dem Wald treten liegen die Almwiesen der Feichtenalm vor uns. Es ist wolkig, diesig und es nieselt leicht aber wir sind natürlich froh nach ca. 3 Std angekommen zu sein. Durch das Auf und Ab werden wir am Ende über 1000 Höhenmeter in den Beinen haben.

Jetzt geht natürlich die Sucherei los. Die Almwiesen sind weitläufig, die Kohlröschen sind sehr klein und wir wissen ja nicht ob es überhaupt welche gibt. Die erste halbe Stunde verläuft erfolglos. Zwar finden wir einige anderen Arten wie z.B. P. albida (Hößwurz) aber nicht die erhofften „Kohlröserl“. Die Kühe beäugen uns auch schon seit einiger Zeit recht skeptisch, man muss wissen, dass die zu dieser Zeit Kälber haben und durchaus aggressiv reagieren können wenn man was macht das denen nicht in den Kram passt.

Ich würde es jetzt nicht unbedingt meine Schokoladenseite nennen

Irgendwann findet mein Bruder dann die ersten Pflanzen N. austriaca (Österreichisches Kohlröschen), der Bann ist gebrochen und es ist klar, dass irgendwo auch die gesuchte N. widderi (Widders Kohlröschen) stehen müssen, da die ein wenig früher blühen als N. austriaca (Österreichisches Kohlröschen). Weitere 15 min später finden wir dann die erste N. widderi (Widders Kohlröschen). Eine große Freude über eine kleine Pflanze, mehr als 10 cm kriegt sie nicht zusammen. Der Kenner weiß, dass N. widderi (Widders Kohlröschen) ganz wunderbar nach Vanille duftet und so sehen die Kühe wie mein Bruder und ich mit der Nase knapp überhalb der Grasnarbe über die Wiese krabbeln und Blümchen beschnuppern. Einige Zeit später finden wir sogar noch einige aufblühende N. miniata (Rotes Kohlröschen). Am 16.6. drei Nigritella-Arten in Blüte, das Glück ist mit den Tüchtigen.

Nigritella widderi | Widders Kohlröschen

Wir teilen uns die Wiese noch ca. 1 Std mit den verwunderten Kühen und machen uns dann glücklich über den Erfolg auf den Rückweg. Zum Fotografieren waren die Bedingungen leider eher schlecht, recht dunkel, windig, Niesel … genau das was man nicht braucht, aber die Priorität liegt dann doch erstmal auf dem Erleben und nicht auf der Knipserei.

Auf dem Rückweg widmen wir uns noch der Wiese die wir auf dem Hinweg schon vorgemerkt hatten und finden dort zu unserer großen Freude und auch unserem großen Erstaunen noch einige weitere blühende N. widderi. Die Bedingungen sind dort auch etwas besser und einige brauchbare Bilder landen auf dem Chip. Neben N. widderi (Widders Kohlröschen) finden wir auf der Wiese P. albida (Hößwurz), N. ustulata (Brand-Knabenkraut), G. conopsea (Mückenhändelwurz), O. mascula ssp. speciosa (Prächtiges Knabenkraut), und D. fuchsii (Fuchs’ Knabenkraut).

Nigritella austriaca | Österreichisches Kohlröschen

Nigritella miniata | Rotes Kohlröschen

Ziemlich platt geht es dann auf den Heimweg, aber es hat großen Spass gemacht! Ich kann jedem nur empfehlen im Juni mal in die Berge zu fahren und die Augen offen zu halten. Es finden sich wirklich auf den meisten Almen und Wiesen wunderbare Orchideen (neben den ganzen anderen Freuden die die Berge zu bieten haben) dabei muss es auch nicht immer in Extremsport ausarten. Viele Hochlagen sind via Gondel oder Ähnlichem erreichbar und auch Ungeübte können die Berge geniessen.

Zum Abschluss noch einige Bilder die ich von der Exkursion mitgebracht habe

Traunsteinera globosa | Kugelorchis

Ich

Schon wieder ich

Nigritella austriaca | Österreichisches Kohlröschen

Nigritella miniata | Rotes Kohlröschen

Nigritella austriaca | Österreichisches Kohlröschen

Nigritella widderi | Widders Kohlröschen

Nigritella widderi | Widders Kohlröschen

Nigritella widderi | Widders Kohlröschen

Nigritella miniata | Rotes Kohlröschen

  • Orchideen

    Meine größte Leidenschaft nach meiner Familie

    Nichts fasziniert mich mehr in der Natur als die wild wachsenden Orchideen Europas. Alle werde ich nie zu Gesicht bekommen, aber ich hoffe die Liste ist noch lange nicht am Ende und ich kann jedes Jahr neue Arten hinzufügen.